Veröffentlicht im Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblatt (BLW 5 | 4.2.2022)


Zusammenfassung:

Landwirte stehen bei Scheidung oder Ehekrise vor besonderen Herausforderungen: Der Hof, oft über Generationen vererbt, bildet das zentrale Vermögen – und ist durch den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft im Trennungsfall gefährdet. Der Gesetzgeber hat mit dem Ertragswertverfahren eine Sonderregelung geschaffen, um landwirtschaftliche Betriebe zu schützen. Dieser Artikel erklärt anhand typischer Fälle und rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten, wie Landwirte den Bestand ihres Betriebs wahren und gleichzeitig faire Lösungen für den weichenden Ehegatten finden können.


1. Scheidung in der Landwirtschaft: Eine unterschätzte Gefahr

Fast 40 % aller Ehen werden geschieden – auch unter Landwirten. Im Trennungsfall ist die zentrale juristische Frage: Welcher Güterstand gilt? Ohne Ehevertrag leben Ehepaare automatisch im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Dabei wird das während der Ehe erwirtschaftete Vermögen grundsätzlich hälftig geteilt. Für Landwirte bedeutet das oft: Der Hof ist gefährdet.


2. Der Schutzmechanismus: Ertragswert statt Verkehrswert

Der Gesetzgeber erkennt das Risiko: Ein Hof darf nicht durch Scheidungsfolgen zerschlagen werden. Deshalb gilt für Landwirte unter bestimmten Voraussetzungen das Ertragswertverfahren statt der üblichen Verkehrswertberechnung:

  • Der Ertragswert basiert auf dem nachhaltigen Reinertrag (z. B. in Bayern: 18-facher Jahresgewinn).
  • Dies führt zu einem deutlich niedrigeren Betriebswert.
  • Entsprechend reduziert sich auch der Ausgleichsbetrag an den Ehegatten.

Voraussetzungen:

  • Gesetzlicher Güterstand (keine Gütertrennung)
  • Wirtschaftlich tragfähiger Betrieb
  • Positive Zukunftsprognose

3. Praxisbeispiel: Landwirt Angermeier

  • Heirat ohne Ehevertrag im Jahr 2002
  • Hofübernahme 2005, Scheidung 2016
  • Ertragswert 2005: 540.000 €, Ertragswert 2016: 720.000 €
  • Nach Indexierung: Zugewinn 93.000 €, Ausgleich für die Ehefrau: 46.500 €

Trotz 11 Jahren Mitarbeit fiel der Anspruch vergleichsweise gering aus – dank Anwendung des Ertragswerts.


4. Besondere Bewertungssituationen

Je nach Umstand kann der Ausgleichsbetrag stark variieren:

  • Renovierungen: meist ohne Einfluss auf den Ertragswert
  • Neubauten: zählen oft mit Verkehrswert
  • Zukäufe von Nutzflächen: bei größerem Umfang mit Verkehrswert zu bewerten
  • Baulandgewinne: voll ausgleichspflichtig, auch wenn nicht verkauft

5. Gefahren der Zugewinngemeinschaft

Ohne ehevertragliche Regelung drohen erhebliche Risiken:

  • Ob das Ertragswertverfahren gilt, hängt vom Gutachter ab
  • Der Richter bestimmt, ob einzelne Investitionen auszugsfähig sind
  • Eine Stundung der Ausgleichszahlung ist selten, Zinsen über 4 % drohen
  • Bauland und Maschinen können zu hohen Zahlungsverpflichtungen führen

6. Gestaltungsmöglichkeiten im Ehevertrag

Ein Ehevertrag kann Risiken entschärfen, ohne gleich zur Gütertrennung zu führen. Empfehlenswert sind z. B.:

  • Ausschluss bestimmter Wertsteigerungen (z. B. Bauland, Maschinen)
  • Pauschale Abfindung pro Ehejahr
  • Absicherung über Lebensversicherung oder Ehegatten-Arbeitsvertrag
  • Begrenzung des Ausgleichs auf gemeinsam Erwirtschaftetes

7. Gütergemeinschaft – kaum geeignet für Landwirte

Beispiel: Ehepaar Haubner vereinbarte 1992 Gütergemeinschaft, aber ohne den Hof als „Vorbehaltsgut“ zu deklarieren. Folge:

  • Der Hof wurde zum gemeinschaftlichen Vermögen
  • Der Ertragswert war nicht anwendbar
  • Alles wurde nach Verkehrswert bewertet
  • Ergebnis: 185.000 € Ausgleichszahlung trotz Rückerhalt des Hofs

Besonderes Problem: Beide Ehegatten müssen bis zur Klärung gemeinsam verwalten – selbst ein Kuhverkauf ist ohne Zustimmung blockiert.


8. Fazit und Handlungsempfehlung

Landwirte sollten sich frühzeitig fachanwaltlich beraten lassen – am besten durch einen Spezialisten für Familien- und Erbrecht mit landwirtschaftlichem Schwerpunkt

Der gesetzliche Güterstand bietet mit dem Ertragswertverfahren einen wertvollen Schutz – aber nur bei richtiger rechtlicher Gestaltung

Eheverträge (auch nachträglich möglich!) ermöglichen faire Lösungen für beide Seiten

Wer bereits in Gütergemeinschaft lebt, kann durch notarielle Ergänzungen nachbessern